Wie man Grübelgeier verscheucht

Gerade kognitiv hochsensible Personen kennen das: Spät abends kommt gerne ein Grübelgeier vorbei und versucht, die Aufmerksamkeit zu bekommen – dabei will man doch gerade schlafen! (Manche nennen es auch „Gedankenkarussel“.)

Hochsensible verarbeiten alles gerne tief. Und so kommt oft zu unerwarteten Zeiten ein „Echo“ von Dingen, die man erlebt hat, Stunden oder Tage vorher. Unangenehm wird das vor allem dann, wenn man gerade keine Zeit hat, diese Dinge zu verarbeiten … dass Hochsensible mehr Zeit zur Verarbeitung brauchen, ist normal. Aber es ist gut, auch schon tagsüber immer wieder kleine Pausen zu machen, in der man die „Zwischenablage“ leeren kann.

Diese Kindergeschichte zeigt (nicht nur Kindern) sehr anschaulich einige Strategien, wie man die Grübelgeier „zähmen“ kann. Zum Beispiel: Philipps Opa bringt einen Schuhkarton, in den Philipp all das hinein sprechen kann, was ihn beschäftigt. Daraufhin wird der Karton mit viel Klebeband verschlossen und weggeworfen. Anschließend kann Philipp wieder gut schlafen … Ich finde das Buch sehr schön gemacht! (Es gibt sogar einen Eltern-Leitfaden dazu, wie man anhand dieser Geschichte erklären kann, was Hochsensibilität bedeutet …)

Zeitweise habe ich bereits eine ähnliche Strategie verwendet: ich hatte immer Zettel und Stift neben dem Bett liegen … Auf diese Weise konnte ich die Gedanken, die mir nachts wichtig waren, stichpunktartig aufschreiben. Und dann erst am nächsten Morgen entscheiden, was ich mit ihnen mache. Das hat mir enorm geholfen, dass ich nachts nicht mehr Angst habe etwas Wichtiges zu vergessen, so besser zu schlafen, und oft war es am nächsten Morgen gar nicht mehr so wichtig.

Mir hilft auch, sich bewusst abzulenken – tagsüber kann man zum Beispiel ganz bewusst alle Details von dem wahrnehmen, was gerade um einen ist. Dadurch kommt man in der Gegenwart an, statt in Gedanken in der Zukunft oder in der Vergangenheit zu sein. Abends beim Einschlafen finde ich dies schwierig, weil man sich ja gerade Entspannen, nicht fokussieren will. Hier ein paar Ideen:

  • Alle Sorgen und Gedanken auf Jesus werfen (1.Petrus 5,7)
  • Sich einen schönen Ort vorstellen, an dem man mal Urlaub gemacht hat oder Urlaub machen möchte
  • Aufzählen, für was man alles dankbar ist
  • Etwas entspannendes auf dem E-Book lesen (ich liebe an meinem E-Book, dass man das Hintergrund-Licht auf fast ganz dunkel einstellen kann, so dass es weniger anstrengend für die müden Augen als mein Smartphone ist)
  • Seinen Körper spüren, ohne das Wahrgenommene zu bewerten
  • Ruhige Hintergrundmusik

Habt ihr noch andere Ideen? Welche Strategien helfen euch, gegen die Grübelgeier vorzugehen?

Mein Leben ist eine besondere Geschichte (deins auch!)

Viele dieser Gedanken sind meine Reflektionen über das, was ich in diesen Buch lerne: John Ortberg: Die Tür ist offen – Ergreife Gottes Chancen.

Ich schreibe gerne Geschichten. Ich liebe es, beim Schreiben kreativ Möglichkeiten auszuprobieren. Auch mein reales Leben ist eine Geschichte, die ich schreibe – eine ganz besondere Geschichte.

In jedem Moment habe ich tausende kreative Möglichkeiten – gut, vielleicht nicht ganz so viele wie in fiktiven Geschichten. Ein paar Zentimeter über den Boden schweben, das ist etwas, was in meiner Fantasie besser funktioniert. Aber ich habe in meinem Leben viele Wahlmöglichkeiten: was ich in meiner Freizeit mache, worüber ich nachdenke, welche Gefühle ich festhalte und welche ich loslasse, mit wem ich kommuniziere …

Das Leben ist eine Geschichte, die ich nicht alleine schreibe

In fiktiven Geschichten kann ich den Kontext so gestalten, wie ich es will. In realen Geschichten verändere ich mein Umfeld, und das Umfeld verändert mich – Interaktion. Viele Begegnungen suche ich mir gar nicht aus, sie kommen einfach zu mir! Aber welche Einstellung ich in diesen Begegnungen habe, das kann ich mir aussuchen. Viele Herausforderungen, globale und individuelle, sind plötzlich da und warten auf meine Antwort. Da kann ich kreativ werden. Da wird meine Lebens-Kunst gefragt. Die Kunst, all das, was ich bisher gelernt habe, gezielt einzusetzen.

Das Leben ist eine Geschichte, in der ich eine wichtige Rolle spiele

Ich habe die Verantwortung für meine eigenen Entscheidungen. Ob andere sich verändern, das müssen sie selbst entscheiden. Ich kann erstmal nur meine eigene Haltung und mein eigenes Verhalten verändern. Meine Freunde, meine Kinder, meine Arbeitskollegen … sind andere Personen. Ich kann zwar mit ihnen kommunizieren – meine Bedürfnisse, Wünsche, Ideen äußern – aber wofür sie sich entscheiden, das ist ihre Verantwortung. Sie können Erwartungen äußern, welche Rolle ich in ihrem Leben spielen soll, aber ob ich mitspiele, bleibt meine Entscheidung. (Allerdings ist es nicht einfach, seine Rolle zu verändern.)

Das Leben ist eine Geschichte, die ein Ziel hat

In meinem Leben gibt es viele Dinge, die nicht unter meiner Kontrolle sind. Und doch ist meine Geschichte nicht einfach nur Zufall. (Manche nennen diese Umstände, die mir begegnen, „Schicksal“ – weil sie eben nicht an Zufall glauben.) Gerade diese Umstände werden handverlesen durch den großen Autor der Geschichte. Gottes Ziel ist, dass wir lernen, ihm in Allem zu vertrauen. Dieses Vertrauen ist immer wieder eine Entscheidung.

Das Leben ist eine Geschichte, in der wir Vertrauen lernen können

Egal, wie viel Vertrauen in Gott (= Glauben) wir bereits gelernt haben, Gott schenkt uns ständig Gelegenheiten, es zu vertiefen. Das klingt frustrierend für mich – dann bin ich ja nie „fertig“ / perfekt? Genau. Aber es klingt auch ermutigend. Gott ist ein guter Vater, der nicht von uns erwartet, einen 100-Meter-Lauf zu rennen, wenn wir gerade erst wackelig auf unseren Füßen stehen. Glaube in Reiskorn-Größe reicht vollkommen aus.

Das Leben ist eine Geschichte, über die Gott den Überblick hat

Alle Umstände, auch die schmerzhaften, sind handverlesen von Gott – heißt das, dass er uns Schmerzen bereitet? Das ist eine berechtigte, aber schwierige Frage. Ich vermute, sie ist so schwierig, weil sie eine versch(r)obene Perspektive hat. Sie klingt so wie, „Es gibt Dinge die mich glücklich machen, und Dinge, die ich schmerzvoll / schwierig / hart finde. Was glücklich macht, ist gut, und was schmerzlich ist, ist schlecht. Wenn Gott gut ist, warum erlebe ich dann schlechte Dinge?“

Kann ich definieren, was gut und was schlecht ist? Ist Schmerz schlecht? Ich komme ja oft deswegen schmerzhaft an meine Grenzen, weil … nun ja, weil ich Grenzen habe. Manche Grenzen wollen akzeptiert werden (z.B. „Ich werde eines Tages sterben“), und manche Grenzen können überwunden werden (z.B. „Ich kann nicht Schwimmen und werde es nie können.“). Und woher weiß ich, welche Grenze ich als gottgegeben akzeptieren soll? Tja, auch das ist eine Kunst. In der Bibel heißt diese Kunst: Weisheit.

Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
Reinhold Niebuhr

Das Leben ist eine Geschichte, in der ich lerne, was Weisheit ist

Unsere Weisheit ist die Summe unserer Erfahrungen. Aber in der Bibel wird echte Weisheit erstaunlicherweise tiefer definiert (Sprüche 9,10): Weisheit ist vor allem der direkte Draht zum Autor unserer Geschichte. Das ist ja praktisch, könnte man meinen, der Autor kann uns ja schon mal verraten wie die Geschichte weitergeht. Nur – das macht er recht selten. Er erzählt uns nur das, was wir für unseren nächsten Schritt brauchen. Er macht uns Mut, unser ganzes Herz in das zu investieren, was wir tun.

Und er erzieht uns, seine Werte (sein „Königreich“) in der Welt sichtbar zu machen: Gott liebt, also will ich lernen, zu lieben. Gott ist geduldig, also will ich geduldig vertrauen wie er. Gott verändert kreativ – und so möchte ich mein Mögliches tun, um mich und meine Umwelt zu verändern. Diese Verbindung zu Ihm zu pflegen und zu vertiefen – das ist Weisheit.

Mein Leben ist eine schöne Geschichte. Weil mein Papa der Autor ist.

(Photo by Aaron Burden on Unsplash)

Gewaltfrei kommunizieren

Kommunikation ist so wichtig. Marshall Rosenberg betont: das Wertvollste, was wir einander zu geben haben, sind wir selbst – mit allem, was uns beschäftigt.

In der Praxis läuft Kommunikation oft schief – der Eine sagt etwas, und der Andere hört etwas, und beide fühlen sich missverstanden. Dann ist es gut, wenn man einmal tief durchatmet und Schritt für Schritt vorgeht – denn oft vermischen wir in unserer Aufregung verschiedene Ebenen von dem, was wir mitteilen wollen:

  • Was ist passiert? Auf was beziehen wir uns?
  • Was fühlen wir dabei?
  • Warum ist uns das so wichtig? Welches Bedürfnis steht hinter diesen Gefühlen?
  • Worum bitten wir die andere Person?

Gerade für Hochsensible sind emotionale oder kognitive Zusammenhänge „offensichtlich“ sind, obwohl sie der Andere gar nicht offensichtlich findet. Darum finde ich es hilfreich, eine Methode vorzustellen, wie man hier Schritt für Schritt vorgehen kann.

Dafür habe ich ein neues Arbeitsblatt erstellt:

Arbeitsblatt 5: Selbstoffenbarung in vier Schritten (GFK)

Kommunikation kann man üben … Gerade in Konfliktgesprächen ist es wichtig, seine eigene Position darstellen zu können, ohne die andere Person damit zu bedrohen.

Download (PDF)

Impulse zur Erläuterung bzw. Vertiefung:

Mehr Arbeitsblätter…

Um was es bei Ehe geht / Wie buchstabiert man Liebe? (Timothy Keller)

Seit kurzem bin ich verheiratet. Aber schon viele Jahre vorher fing ich an, Ehebücher zu lesen – klingt verrückt? Fand ich zumindest damals, als ich ein Buch rezensieren sollte – und erst bei Ankunft des Buches realisierte, dass es um Ehe geht. Warum soll ich als Single, der noch gar nicht ernsthaft nach einer Beziehung suchte, mich damit beschäftigen? Aber als ich dann anfing, es zu lesen, veränderte es meine Vorstellung davon, wie eine gute Ehe aussieht, und warum es sich lohnt, dafür Zeit und Energie zu investieren.

Dieses Buch sagt sogar im Vorwort, dass es explizit für Singles geschrieben ist – Timothy Keller war Pastor einer Gemeinde, die größtenteils Singles hatte, und hatte dort eine Predigtreihe über Ehe gehalten. Ich liebe dieses Buch, so sehr, dass ich es gleich mehrmals hintereinander gelesen habe. Wenn du nur ein Buch über Ehe lesen möchtest, nimm dieses.

Keller konfrontiert Vorurteile über Ehe mit gesellschaftlichen Studien, mit biblischen Überlegungen und bringt praktische Beispiele dazu. Genial! Und vor allem: er zeichnet ein brutal realistisches, und gleichzeitig anziehendes Bild, um was es bei Ehe geht.

Zum Beispiel:

Wenn zwei Ehepartner einen Tag miteinander verbringen, kann sich die Frage, wer das Vergnügen bekommt und wer nachgibt, alle paar Minuten stellen. Und dann gibt es 3 Möglichkeiten:
– Du kannst dem Anderen mit Freude deinen Dienst anbieten
– Du kannst dieses Angebot kaltherzig oder mit Widerwillen machen
– Oder du kannst selbstsüchtig auf das bestehen, was du willst.
Nur dann, wenn beide Partner häufig auf die erste Art darauf reagieren, kann die Ehe aufblühen. Aber wie schwer das ist!

Im Original: If two spouses are spending a day together, the question of who gets each’s pleasure and who gives in can present itself every few minutes. And when it does, there are 3 possibilities: You can offer to serve the other with joy, you can make the offer with coldness or resentment, or you can selfishly insist on your own way. Only when both partners are regularly responding to one another in the first way can the marriage thrive. But how hard that is! (Timothy Keller, The Meaning of Marriage, p. 54)

Was ich von dem Buch vor allem gelernt habe: bei Liebe geht es wirklich um mein ganzes Leben. Es klingt echt anstrengend – aber es lohnt sich total.

In dem ganzen Prozess, in dem meine Beziehung zu Lydia gewachsen ist, und auch jetzt, waren die Worte dieses und anderer Ehe-Bücher wichtige Impulse, die meine Vorstellungskraft geprägt haben: wie ist Liebe, konkret ausbuchstabiert? Wie kann ich liebevoll reagieren, wenn ich eine Antwort höre, die nicht dem entspricht was ich mir wünsche? Wie kann ich eine geduldige und dienende Haltung leben? Etc.

Jemand sagte: „Schreibe deine Liebesgeschichte so, dass du sie deinen Enkeln erzählen willst.“ Lydia und ich erzählen unsere Liebesgeschichte sehr gerne! Sie war nicht perfekt, aber immer wieder ist Gottes Liebe und Gnade in unserer Beziehung deutlich sichtbar geworden.

Nach unserer Hochzeit fragte uns einmal ein Single: „Was ist das Schönste daran, verheiratet zu sein?“ Und meine Antwort war: Dass wir einander Gnade geben können, immer und immer wieder. Wir kommen immer wieder an unsere Grenzen – z.B. an die Grenzen unserer Kraft, ich bin schusselig und etwas geht kaputt, oder ich spüre dass meine Persönlichkeit ihr gerade auf die Nerven geht. Jetzt, da man so eng zusammen lebt, spürt man noch deutlicher, wo man noch so seine Baustellen hat … Und dann ist es so befreiend zu erleben, dass Lydia mir immer wieder vergibt und die Freiheit gibt, ich selbst zu sein. Das macht mutig, mich selbst als wertvoll zu behandeln. Und das alles ist nur möglich, weil wir beide aus der unendlichen Gnade Gottes schöpfen. Irgendwie hört er wirklich nie auf, uns zu lieben. Und mit dieser bedingungslosen Liebe wollen wir lernen, einander zu lieben.

To live is to be called into the unknown

What if … what if life, even „my life“, was not about me? Not about what I do, what I find important, my cozy this-is-what-I-am-used-to-Bubble, or my ambitious this-is-who-I-should-be-if-only-I-work-a-little-harder …

Real life is radically different. There is somebody knocking on my heart’s door (and yours as well!), waiting to enter in. Not just a nice visitor, mind you. He is offering an all-or-nothing deal. His life – or my life. His will – or my will. But the way he talks, the way he asks me questions, I somehow realize that he actually knows what is going on in my heart – and wouldn’t comdemn me, ever. He is kind, patient, and somehow sometimes it feels like he loves me more than anybody else did – even more than I love myself. Can this be true? If it is true, what has to change? Or rather, what will remain? I don’t know.

Some say, Christianity is about getting answers, the right answers. My hunch is, if my main focus is to get the right answers, I will miss the most important bits of life. I mean, I am a researcher by heart and want to understand everything I can. And now that I am following Jesus, I would love to understand what he will do with my life and how to get there. Instead, I only hold a handful of puzzle pieces that don’t even go together. Oh, they are beautiful! But … what is the bigger picture???

Somehow, love is more about trusting somebody than understanding something. And how do you learn to trust? Well, when Love asks you out (and it will!), just say Yes. Every day.

Sounds scary, like giving up control? Exactly.

– So in the end you made the decision you’re talking about?
– I did. Those fishermen took a similar step into the unknown 2000 years ago. They got called. They went. Fishing for men, becoming a shadow doctor – we hear the words, or we read them like I did, but we’re not usually allowed to have a significant grasp of what we’re signing up for. We get called, and if that call comes from someone we want to be with – well, there’s just one question. Will we be wise – or foolish – enough to go? It begins with relationship. Always did. Always will. Who can tell where it will end? The good news is the same as the bad news. Once you’ve said yes, that’s no longer your business.

(Adrian Plass, The Shadow Doctor Vol. 2, p. 110f)

(I love that novel. Thank you so much, Adrian Plass, for spelling out how messy yet rewarding it is to follow Jesus. This book should be required reading for any counselor or Christian that really wants to impact other people’s life. I want to become a shadow doctor as well!)

(Photo by Martin Jernberg on Unsplash)

Reformation fängt mit Träumen an

Ich habe einen Traum.
Von einer Kirche, die Wahrheit als Person versteht, nicht als Konzept.
Von Gläubigen, die Leidenschaft und Schönheit mehr nachjagen als ihrem eigenem Komfort.
Von Glaube, wild, ungezähmt, authentisch, und unbeirrbar Gott-zentriert.
Von Liebe, die alle Angst überwindet.
Von Hoffnung, größer als Institutionen und kleiner als falsch verstandene Würde.
Von Sehnsucht, die verrückt-kreative Lösungen sucht.
Von Menschen, die nicht von ihrer Unzulänglichkeit davonlaufen, sondern dem Ruf ihres Meisters folgen.
Von geliebten Kindern Gottes, die innerlich frei Gott und ihr Leben feiern.
Von einer Kirche, die alles tut, um das Tun Gottes zu begleiten und zu unterstützen.
„Gott ist in der Mitte, alles in uns schweige, und sich innigst vor ihm beuge.“

Vielen Dank, Fabian Vogt, für deine Vorträumereien. Dein Roman hat mal wieder alle meine Erwartungen übertroffen.

Die narratorische Apotheke

Was könnte das nur sein? Eine Apotheke, in der es Heilmittel gegen seltsame Krankheiten wie „rezidivierender Materialismus“ oder „fortschreitende geistliche Hybris“ gibt? Es handelt sich um ein Antiquariat im Roman „Das Haus der Geschichten“ von Thomas Franke. Und eigentlich ist es eine Geschichten-Sammlung: Geschichten, durch die sich kleine Wahrheitsstrahlen in unser Herz schmuggeln. Und so begleiten die Leser Marvin, der durch solche Geschichten und menschlichen Begegnungen Schritt für Schritt sein Herz für ein neues Abenteuer öffnet. Was wäre, wenn es doch einen Gott geben könnte? Warum will ich zwar gut handeln, krieg es aber nicht so wirklich hin? Und was ist das, was im Leben wirklich zählt?

Ein feinfühliges Buch, das meine Leidenschaft verstärkt: auch ich möchte mit meinen Geschichten Herzen berühren, Perspektiven aufzeigen. Wenn jemand eine narratorische Apotheke aufmachen möchte, liebend gerne würde ich als sein Lehrling anfangen!

Auserlesen: Thomas Franke

(Buchbesprechung von Titus Müller auf YouTube)

Zeitsparer

Wie kann es sein, dass wir immer mehr Zeit sparen, aber immer weniger Zeit übrig haben? Oder, wie es die Kinder in „Momo“ formulieren: „Zeit spahren? Aber für wehn?“

Ich möchte Zeit verschenken, wer will sie haben?

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Strength is for service, not status.

(Romans 15:2 The Message)

Paul Williams Young: Die Hütte

Love extravagantly. Love as if your life depended on it – because it does. (1. Korinther 14, 1)

Natürlich ist die Hütte nicht die Bibel. Es ist ein Roman, und von der besten Sorte: es hat einen wahren Kern. Besonders beeindruckt hat mich, wie er ausmalt dass „Gott Beziehung ist“ – „Drei-Einigkeit“. Es hat in mir eine Dringlichkeit hinterlassen, wie wichtig es ist, zu lieben – und wie schal demgegenüber unsere Welt geworden ist. Verantwortlichkeiten und Politik sind nur ein blasses Abbild von echter Fürsorge. Du sagst, „Nur die Liebe zählt“, das geht nicht in solch großen Gruppen wie einer Nation? Da magst du Recht haben, ich bin ja auch nicht für Anarchie. Ich sage nur, dass politische Strukturen an sich nicht die Lösung sein können, selbst wenn sie „demokratisch“ heißen.

Ich denke, das Buch ist auch wegen solcher Querschüsse bekannt und in Verruf geraten. Ich meine, was soll das heißen, zu glauben, ohne religiös zu sein? Aber gerade darum habe ich die Lektüre genossen: es fordert heraus, und es lädt ein, anders zu denken. Bunter, lebendiger. In einer Welt, in der Gott im Mittelpunkt steht.

So ein Buch will ich auch mal schreiben.

Adrian Plass: Der Besuch

In diesem kurzem Roman geht es um die Frage, was wäre, wenn Jesus in die heutige Zeit kommen würde. Würden wir ihn erkennen? Was hat er zu uns „modernen“ Menschen zu sagen? Der Erzähler, Vorstehender einer Kirchgemeinde, begleitet Jesus als Manager und Freund, und kämpft dabei vor allem mit seinem eigenen Gottesbild. Dass Jesus doch nicht der nette, brave, „gezähmte“ Jesus ist. Sondern: verplant (aus Sicht des Erzählers jedenfalls), unvorhersehbar, und vor allem: radikal liebend. Ein Homosexueller möchte mit ihm sprechen, aber statt fand nicht, wie der Erzähler erwartete, ein Seelsorgergespräch, sondern ein Billiardspiel. Und als er in einer Gemeinde zum Predigen eingeladen war, entdeckt ihn plötzlich ein Kind im Publikum (ein geistig behindertes Kind, mit dem Jesus schon viel Zeit verbracht hat), und läuft voller Freude zur Kanzel. Und er geht – zur Entrüstung der Anwesenden – nachdem er sie geknuddelt und der Mutter zurückgebracht hat, einfach zur Tür heraus. „Jesus! Die Leute haben eine richtig gute Predigt erwartet!“ – „Sie haben eine noch bessere bekommen.“

Ja, ja, das fasziniert mich auch immer. Jesus, der Lehrer, der eigentlich mehr Fragen stellt, als Antworten zu geben. Der Menschen einlädt, nicht nur mitzudenken, sondern auch mitzumachen. Wenn Jesus sagt: „Lass alles stehen und liegen, und komm mit mir!“ ist das eine Form von Interaktivität, die unsere Vorstellung von interaktiven Gottesdienstgesprächen weit in den Schatten stellt. Gut, vielleicht wirkt es auch nur so, weil die Bibel wahrscheinlich hauptsächlich die besonders wichtigen Momente erzählt (so wie die Leute im Film immer nie aufs Klo müssen), aber er schaffte es so oft, Leben zu verändern, indem er sich voll auf sie eingelassen hat.

Sehr empfehlenswert: typischer Adrian-Plass-Humor, viele Gedankenanstöße, und dank der erzählerischen Form leicht zu lesen.