Ich brauche Hilfe.

Diese Worte kommen nur selten aus meinem Mund; schließlich möchte sich selbständig (ok), unabhängig (verdächtig) und niemandem eine Last (nicht ok) sein.

Es war heiß in Athen, vor allem in der U-Bahn. Ich habe zu viel gegessen. Und plötzlich wird mir schwindelig, ich fange an zu schwitzen, und versuche meine Freunden mitzuteilen, dass ich dringend auf die Toilette muss. Als wir kurz darauf aussteigen, habe ich es endlich laut genug ausgesprochen, um ihre Aufmerksamkeit zu erreichen. Ich lasse mich auf einen der Bahnsteig-Stühle fallen. „Ist alles in Ordnung?“ Ich sagte leise Nein, und sie nahmen mich ernst. „Leg dich einfach hin“ – dabei wollte ich mich doch gar nicht hinlegen, ich wollte doch eine Toilette suchen?!

In diesem Moment traf ich eine Entscheidung: ich vertraute ihnen. Es war schrecklich, ich war lange nicht mehr so verzweifelt – aber ich spürte auch, ich brauche ihre Hilfe, alleine schaffe ich es nicht. Und tatsächlich, nachdem ich eine kurze Zeit auf dem Boden lag (umringt von besorgten Gesichtern, fremden Stimmen, ein nasses Tuch wurde mir auf die Stirn gelegt, die Bahnhof-Security kam dazu), war zumindest der Schwindel so weit weg dass ich wieder gehen konnte. Ich wurde von der Security zur Behinderten-Toilette eskortiert (es gab keine öffentliche Toilette in der Nähe) und nachdem ich mich endlich erleichtern konnte, fuhren wir unsere Heimreise fort.

Es war ein intensives Erlebnis. Ich fühlte mich wie ein Baby: bedürftig, und ohnmächtig, dieses Bedürfnis selbst zu stillen. C.S. Lewis („Was man Liebe nennt“) redet von Bedürfnis-Liebe: Hilfe annehmen kann genauso ein Ausdruck von Liebe/Vertrauen sein wie Hilfe geben. Ich habe mich fallen gelassen, und ein Netz aus Freundschaft hat mich aufgefangen. Und selbst wenn ich gerade alleine unterwegs gewesen wäre, ist da immer noch ein anderes Netz: mein Gott, der es gut mit mir meint.

„No man is an island“ – seltsam, dass wir das in unserer Gesellschaft wieder neu lernen müssen. Mindestens ich.

(© Photo by Let Grow Therapy and Counseling – Helping Children to Thrive – CC BY 2.0)

Die Würde des Menschen ist unantastbar.

Lieber Humanismus,
ich bin ja sonst auch nicht so ganz zufrieden mit dir. Aber hier hast du mich enttäuscht. Wie konnte es so weit kommen, dass Menschen als Arbeits-Objekte verwendet werden? Jaja, ich weiß, du versuchst es zu verstecken, die Menschen machen das doch alle freiwillig, und verwirklichen sich selbst, und überhaupt; aber mit „Würde“ hat das nichts zu tun. Würde ist mehr als Lob, soziale Anerkennung, gerechter Lohn, eine ordentliche Stundenzahl, ein gesellschaftlich suggestierter Sinn. Würde ist der Zuspruch des Schöpfers: Es ist gut.

Du sagst, es gibt keinen Schöpfer, weil jeder sein eigener Schöpfer sei? Dann gibt es auch keine Würde.

You know, the thing everybody really wants to know is not … what the theory of relativity is … but … whether we’re loved or not. And that’s why I like the scriptures. Because you get the feeling from reading them that … we might be.
(Rich Mullins in the middle of his concert)

(Wisst ihr, das was alle eigentlich wissen wollen ist nicht, wie die Relativitätstheorie funktioniert, sondern ob wir geliebt sind oder nicht. Und darum mag ich die Schrift. Wenn ich sie lese, sieht es so aus, als ob es so sein könnte.)

Verzicht

Man könnte die Religionen und Philosophien in weltzugewandt und weltabgewandt einteilen, in Hedonismus und Asketismus, in „Genieße dein Leben“ (You only live once!) und „Die Natur/Gesellschaft/Familie/Wirtschaft ist wichtiger als du“.

Aber das Christentum trägt beide Züge: einerseits fordert es auf, sich selbst zu verleugnen, und „sein Kreuz zu tragen“, so wie es Jesus als großes Vorbild tat; andererseits aber auch, die Schöpfung und das Leben wertzuschätzen. (C.S. Lewis, „Some Thoughts“, in: „God in the dock“, p. 147ff)

Und das prägt auch unsere Haltung zu Verzicht. Essen z.B. wird nicht etwa abgelehnt, weil es falsch (ungesund, verboten, …) wäre:

„Hence, in all true Christian ascetism, that respect for the thing rejected […] Marriage is good, though not for me; wine is good, though I must not drink it; feasts are good, though today we fast. […] None of these [other] beliefs really leaves you free to both enjoy your breakfast and to mortify your inordinate appetites – much less to mortify appetites recognised as innocent at present lest they should become inordinate.“

Darum finden wir in allen wahrlich christlichen Asketismus diesen Respekt für das Ding, das man ablehnt: Ehe ist gut, aber nicht für mich; Wein ist gut, aber ich darf ihn nicht trinken; Feste sind gut, aber heute fasten wir. […] Keiner dieser [anderen] Glaubensrichtungen geben dir die Freiheit, sowohl dein Frühstück zu genießen als auch übermäßigen Appetit zu zügeln – oder sogar den Appetit, der derzeitig als harmlos erkannt wird, aber übermäßig werden könnte.

(C.S. Lewis, „Some Thoughts“, in: „God in the dock“, p. 149)

Fasten wir manchmal, weil wir „im Gegenzug“ davon etwas von Gott erwarten? So ähnlich, wie wir uns von Geld „immer“ Essen kaufen können, und von Bildung „immer“ Arbeitsplätze entsteht. Nein, zuallerst geht es bei Fasten (oder verallgemeinert, Verzicht um Gottes Willen) einfach darum, meine Beziehung mit Gott und anderen zu pflegen.

Ein jüdisches Sprichwort sagt, dass wir immer zwei Zettel in unseren Mänteln tragen sollen: einen, „Das Universum wurde gerade für mich geschaffen“, und einen anderen, „Ich bin nur Staub und Asche“. Und so bleiben wir „fröhliche Bettler“, Pilger auf dem Weg, zu Gott hin.

© Photo by elitatt – CC BY 2.0

Wertvoll

Ich bin geliebt. Nichts kann das verändern.

How deep the father’s love for us
How vast beyond all measure
That He should give His only Son
To make a wretch His treasure

(Stuart Townend, How Deep The Father’s Love For Us)

Und diese Liebe will ich weitergeben. Ich habe so viel Großzügigkeit erfahren, dass ich großzügig zu anderen sein kann.

Was uns prägt

Demozion – Erwachsen:

„Sie haben mich geformt …
mein Gewissen, meine Normen,
die Art wie ich denke, die Art die ich fühle.
Ist es die Meine? oder die Ihre?“
(1:03)

Wir haben keine Wahl: wir werden von unserer Kultur geprägt. Diese Erfahrungen mit Menschen und Strukturen bilden das Rohmaterial unseres Lebens – was machen wir daraus? Und vor allem: für wen bauen wir? (Tipp: Haggai 1, 7-9)

(© Photo by ::Suwaif:: – CC BY-SA 2.0)