Die zwei Bücher des Wissens

To conclude, therefore, let no man (upon a weak conceit of sobriety or an ill-applied moderation) think or maintain that a man can search too far, or be too well studied in the book of God’s word, or in the book of God’s works, divinity or philosophy …

Zum Abschluss sei deshalb gesagt, dass niemand – sei es aus falscher Bescheidenheit oder gekünstelter Zurückhaltung –, denken oder die Meinung vertreten darf, dass man in dem Buch vom Wort Gottes oder das Buch der Werke Gottes zu viel studieren oder zu gut kennen könnte…

(Francis Bacon, The Advancement of Learning, 1605, First Book, I (3))

Zwei Bücher? Francis Bacon, einer der Gründer-Väter der modernen Wissenschaft, behauptet ernsthaft, ein Gelehrter solle nicht aufhören, die Bibel und die Natur zu studieren?

In der heutigen Gesellschaft würden jetzt sowohl die Theologen als auch die Wissenschaftler aufschreien (Francis Bacon war wohl noch beides). Die Wissenschaftler würden darauf verweisen, dass die Bibel veraltet ist, die erwähnten Wunder nur Legenden sein können und überhaupt nicht zum Zweck des rationalen Verstehens, sondern der geistlichen Erbauung geschrieben wurde. Die Theologen (zumindest die Protestanten) würden einwenden, dass die gefallene Natur mehr die Sünde des Menschen als den Charakter Gottes wiederspiegelt, und darum Gott nur durch die Bibel und persönlichen Glaubenserfahrungen kennengelernt werden kann.

Interessanterweise geht Francis Bacon im Folgenden kaum auf diese zwei Bücher ein. Für ihn ist es selbstverständlich, dass man, wenn man Gott verstehen will, sowohl seinen Willen als auch seine Taten kennen sollte. Aber auch, dass man Gott missversteht, wenn man sich nur der Schöpfung nähert, egal ob durch wissenschaftliche Experimente oder Esoterik/Mystik; das wäre so, als würde man einen Juwelier ausschließlich danach beurteilen, was er im Schaufenster liegen hat – ziemlich oberflächlich. (Ebd., First Book, VI (16))

Ein konkretes Beispiel: die Bibel sagt uns, dass die Essenz von Gottes Wesen Liebe ist; und dass es unsere Aufgabe ist, immer mehr wie er zu lieben und uns lieben zu lassen. Wo haben wir diese Liebe kennengelernt – in der Bibel oder in unserer Familie (Gottes Schöpfung)? Die Entwicklungspsychologie sagt klar: was in den ersten zwei Jahren nicht an Liebe investiert wird, fehlt der Person ein ganzes Leben. Unsere Eltern sollen das anfassbare, sichtbare Beispiel sein, damit wir Gott und andere lieben können. Und weil sie nicht perfekt sind, gibt Gott uns die Möglichkeit, sozusagen als Korrektiv, seinen Charakter auch durch die Bibel kennenzulernen. Gerade an diesem Beispiel der persönlichen Entwicklung können wir sehen, wie sehr Gottes Worte und Gottes Werke zusammenspielen: wenn Gott uns nur eines der beiden Bücher gegeben hätte, wären wir aufgeschmissen.

Und dabei sehen wir auch den Zweck von Wissen. Das Zitat von Francis Bacon geht so weiter:

… only let men beware that they apply both to charity, and not to swelling; to use, and not to ostentation …

… aber lass die Menschen darauf achten, dass dies der Liebe dient und nicht dem Stolz; der Umsetzung und nicht der Schau …

Wenn wir nur Wissen (egal ob theologisches oder naturwissenschaftliches) sammeln, führt es zu Stolz. ‚Seht nur, wie gut ich mich auskenne!‘ Wir müssen umsetzen, was wir verstehen, damit unser Wissen anfassbar wird. Was nützt es mir, ein tolles Buch über Liebe zu schreiben, wenn ich in meiner Familie unausstehlich rum-meckere, schmolle oder dominiere … ich wäre wie ein „dröhnender Gong“ (1. Korinther 13,1), viel Lärm um Nichts. Auch in meinem Leben muss man in zwei Büchern von Gott lesen können: meine Worte und meine Taten.

(© Photo by Daniel Go – CC BY-NC 2.0)

Unsere Berufung / Our calling

Manchmal verliere ich aus dem Blick, dass ich nicht nur geschaffen wurde, um diese Welt und dieses Leben zu genießen. Dieses Video fordert mich immer wieder neu heraus.

We have decided to value both pioneers and settlers: Pioneers to expand our territory, and settlers to build on those territories. But we are NOT squatters – People who take up space others have fought for without improving it.

Wir haben entschieden, sowohl die Pioniere als auch die Siedler zu ehren. Pioniere, die das Gebiet erweitern, und Siedler, die auf diesem Gebiet bauen. Aber wir sind nicht Hausbesetzer – Leute die den Platz einnehmen, für den andere gekämpft haben, ohne ihn zu verbessern.

(2:49-3:07)

Mit dt./engl. Untertitel hier.

DTS Lecture Phase - Oxford, New Zealand

Technik-Credo

(English Version)

lat. credo, „ich glaube“. Das ist, was ich bezüglich Technik & Gott glaube.

Ich glaube an Gott, der Ursprung aller Technik. Er hat die Menschheit berufen, Technologie zu erfinden, entdecken und zu verwenden, um die Erde zu seiner Ehre zu verwalten, auszufüllen und zu vermehren. Doch wir Menschen verdrehten diese Absicht von Technologie, indem wir unsere eigene Herrlichkeit groß machen wollten und Technik dazu benutzen, um die Natur und andere Menschen zu manipulieren, so dass wir das bekommen was wir “wollen”.

Ich glaube, dass Gott jede Technologie erlösen kann, jedes Unrecht umkehren kann, und sogar unsere Versagen zu seiner Herrlichkeit benutzen kann – danach sehnt sich die ganze Schöpfung. Ich glaube dass er es liebt, uns in diesen Prozess einzubeziehen; wenn unser Leben ihm ganz untergeordnet ist, wird das Werkzeug, das wir benutzen, in unsere Anbetung einstimmen.

Ich glaube, dass Gott nicht durch Technik besiegt oder überrascht werden kann. Es gibt nichts mächtigeres, ehrfurchtgebietenderes, prakterisches und effizienteres als Gottes Liebe. Wenn wir Technik benutzen aber nicht lieben, werden all unsere Anstrengungen fehlschlagen. Wenn wir Gott, uns selbst, die anderen Menschen und die Natur lieben, werden wir Technik verwenden, um Gott zu verherrlichen und um die Gott-gegebene Würde von Menschen und Natur zu bestätigen.

Ich glaube, dass Gott uns einen Wohnort vorbereitet. In jener Stadt werden einige Technologien von heute irrelevant sein, einige von Gott gegeben sein, und einige werden auch endlich zu ihrem vollen Potential genutzt werden.

(© Photo by Tom Taker – CC BY 2.0)

Eine kleine Türschloss-Philosophie

„Technology incorporates worldview, because it is designed to solve a set of problems“
„Technik beinhaltet Weltanschauung, weil sie entworfen wurde, um bestimmte Probleme zu lösen.“
(John Dyer, „From the Garden to the City“, 2011)

Werkzeuge sind Dinge, mit denen wir unsere Fähigkeiten erweitern. Wir können uns bewegen, und mit dem Auto können wir uns schneller bewegen; wir können kommunizieren, und mit dem Telefon können wir über Kilometer hinweg kommunizieren; wir haben ein Zeitgefühl, und die Uhr hilft uns, dabei im Gleichtakt mit anderen zu bleiben.
Technik hat darum sehr viel mit Weltanschauung zu tun: welche Probleme sind uns so wichtig, dass wir kreativ neue Lösungen suchen? Und wie bei Kultur ist der Großteil der Technik, die wir verwenden, uns so geläufig, dass wir nicht über die eingebauten Werte nachdenken.

Zum Beispiel: Was ist die Philosophie hinter einem Türschloss?

Fragen, die uns dabei helfen können:
Wie würdest du dich fühlen, wenn es keine Türschlösser gäbe?
Wie hat sich diese Technik historisch entwickelt, und warum?
Auf welche Art kann ich überprüfen, ob die Technik funktioniert?
Welches Problem versucht die Technik zu lösen?
Wie könnte eine konsequente Weiterentwicklung in der Zukunft aussehen?
Wie wird die Realität anhand dieser Technik wahrgenommen, existiert eine geistliche bzw. nicht-materielle Welt?

Und schließlich:
Was ist der wichtigste Wert, der in dieser Technik ausgedrückt wird?

Das Schloss vermittelt Sicherheit, vor Dieben, Gewalttätern und unerwarteten Unterbrechungen. Es trennt eine Sphäre des Privaten von einer öffentlicheren Sphäre. Diese Grenze darf nur von den Personen übertreten werden, die entweder natürlich oder temporär dazugehören, also entweder weil sie einen Schlüssel haben (Familie) oder weil sie reingelassen wurden (Besucher). Früher wurde diese Aufgabe von Wächtern erledigt; durch das Türschloss musste man nicht mehr reich sein, um diesen Schutz zu empfangen. Gleichzeitig ging dadurch aber auch der Beziehungsaspekt verloren: das Vertrauen, das vorher Personen geschenkt wurde (entweder den Wächtern oder den Nachbarn), wird jetzt diesem Ding entgegengebracht. Außerdem kann ein Türschloss nur vor materiellen Gefahren beschützen (zum Vergleich: in China haben Hauseingänge eine Schwelle, damit die Geister darüber stolpern).

In die Zukunft gedacht könnte diese Haltung dazu führen, dass die öffentliche Sphäre wie bei einem Computerspiel in verschiedene, durch Türen getrennte Bereiche geteilt wird; und jeder kann nur genau dorthin, wo er auch ein berechtigtes Anliegen hat: in Richtung Turnhalle kann er nur dann, wenn er auch beim Sport angemeldet ist usw. Dieses Verfahren wird in Hochsicherheits-Gebäuden und Computerprogrammen bereits eingesetzt. Der Schlüssel könnte als Chip implantiert werden, so kann er weder verloren gehen noch geklaut werden, und man kann die Zugangsberechtigungen beliebig oft verändern. Auf diese Weise wird die Gefahr des Fremden minimiert. Es wäre vorhersagbar, strukturiert, steril und … langweilig. Unkommunikativ. Die Vielfalt der Alltagsbegegnungen wäre deutlich geringer.

Vielleicht kann man die Philosophie des Türschlosses also so zusammenfassen: ich muss mich vor anderen Menschen schützen.

(© Photo by Håkan Dahlström – CC BY 2.0)

Es werde Zeit! Und sie ward.

Theologen sprechen von einem ewigen Gott, außerhalb unserer Zeit-Dimension. Für mich war das lange Zeit zu abstrakt. Aber nun habe ich eine Entdeckung gemacht, die ich mit-teilen möchte.

Im Unterricht reflektierten wir: Einstein lernte, dass Zeit nicht vorgegeben, unveränderbar, „ewig“ ist. Die Relativitätstheorie sagt, dass die Geschwindigkeit von Licht konstant ist, und darum Zeit nicht immer gleich schnell vergeht. Und so können wir davon ausgehen, dass Zeit ebenfalls Teil der Welt ist, die Gott geschaffen hat. Und dann macht es plötzlich Sinn: derjenige, der die Zeit geschaffen hat, kann sie natürlich auch beeinflussen.

Später, in der Uhren-Abteilung im Zwinger (Dresden) wurde mir bewusst, dass auch unsere Wahrnehmung von Zeit sich über die Jahrhunderte verändert hat. Wer keine Minuten messen kann, misst sein Leben nicht in Minuten. Die treibende Kraft, immer genauere Uhren zu entwickeln, war die Astronomie: um besser die Bewegungen der Himmelskörper verstehen zu können. Und tatsächlich sagt die Schöpfungsgeschichte, dass genau das die Aufgabe der Sterne ist (1. Mos 1:14).

(© Photo by Leo Reynolds – CC BY-NC-SA 2.0)

Hat Gott Humor?

Ich weiß, die Frage klingt witzig. Vermutlich wird sie meistens von Kindern gestellt, die Erwachsenen sind schon zu sehr im Ernst des Lebens gefangen. Aber jetzt mal ernst: Gott zeigt Gefühle, die Bibel ist voll davon. Er weint, lacht, freut sich, ist zornig, traurig, eifersüchtig; und manche Verse legen sogar nahe, dass er tanzt. Warum haben wir solche Probleme, uns das vorzustellen?

Schuld sind, wie so oft im Westen, die alten Griechen. Aristoteles stellte sich Gott als Ursprung aller Bewegung vor: die Menschen bewegen Objekte, die Sterne bewegen die Menschen, und der „unbewegte Beweger“ bewegt die Sterne. Einige Theologen im Mittelalter fand diese Philosophie so spannend, dass sie sie benutzten, um den christlichen Glauben zu erklären. In dieser strikten Hierarchie der Dinge ist aber kein Platz für ein Gott, der von Menschen „bewegt“ wird: warum sollte ein allmächtiger Gott über den Zustand der Menschheit weinen? Weil er liebt.

Zurück zur Ursprungsfrage. Die Bibel sagt nichts über Humor (wie auch, das Wort gibt es in dieser Form erst seit einigen Jahrhunderten) und wenig über Witze. Einige Passagen sind definitiv sarkastisch gemeint oder stark übertrieben; es gibt Wortspiele und viel Situationskomik (siehe unten, S. 9). Aber witzigerweise klingt nicht alles in jeder Übersetzung witzig – vielleicht haben die Bibelübersetzer es manchmal zu ernst genommen?

All diese Indizien legen nahe, dass Gott Witze verstehen kann. Vermutlich hat er unseren Humor geschaffen. Natürlich gibt es auch Humor, der für falsche Zwecke eingesetzt wird: er überschreitet Grenzen und lacht den aus, der ihn dafür bestrafen will. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Gott solche unverantwortlichen Witze mit uns macht, wofür hat er uns denn die „Würde des Menschen“ gegeben. Und so ist es auch unsere Aufgabe, Humor konstruktiv einzusetzen.

Und ich habe das Gefühl, dass in unserer derzeitigen Gesellschaft Humor überbewertet wird. Nicht umsonst reden wir von einer „Entertainment“-Gesellschaft. Aber wenn Gott Humor hat und uns Humor schenkt, will ich lernen, es als gute Gabe anzunehmen und auszuüben.

 

Diese Gedanken sind eine Zusammenfassung meiner Seminar-Arbeit. Wer sie lesen möchte und gut genug englisch kann, ist herzlich dazu eingeladen:

Why on Earth – Laughter? A seminar paper about Raymund M. Smullyan: „Planet Without Laughter“

(© Photo by carnifex82 – CC BY-NC-SA 2.0)

Wissenschaft ohne Glauben?

Es gibt keine „pure“ Wissenschaft. Ich weiß, wir versuchen alles zu vermessen und zu verstehen, aber in Wahrheit können wir unsere Messungen nicht interpretieren, ohne auf unsere Weltsicht zurückzugreifen.

Kennt ihr den Apfel von Isaac Newton? Newton stellte fest, dass der Apfel immer wieder zum Boden fiel, und versuchte herauszufinden, warum (und entdeckte dabei die Gravitationskraft). Aber rein wissenschaftlich gesehen kann er nur feststellen, dass der Apfel jetzt schon 100-Mal hintereinander in die gleiche Richtung gefallen ist. Er geht davon aus, dass es dahinter ein ewiges und überall gültiges Prinzip gibt, weil er an einen Gott glaubt, der ewig gleich bleibt, und der das Universum nicht willkürlich, sondern mit Charakter und Regelmäßigkeit regiert.

Die Evolutionstheorie glaubt an den Zufall als treibende Kraft innerhalb eines geordneten Wettkampf-Systemes („Auslese“). Aber wenn alles aus Zufall entstanden ist, woher kommen diese Regeln? Auch Darwin von christlichem Gedankengut geprägt und glaubte an Gott als Ursprung.

Ganz ehrlich, wenn heute jemand tatsächlich an eine Welt ohne Gott glaubt, dann muss er auch konsequenterweise feststellen, dass er selbst (inklusive seiner Gedanken) ein Produkt des Zufalls ist, und dass er also seiner Wahrnehmungen, Gedanken und Empfindungen nicht vertrauen kann. Die einzige Alternative zu Religion ist also nicht Wissenschaft, sondern Verrücktsein.

(Eine ausführliche Version dieser Argumentation findet ihr in C.S. Lewis, The Abolition of Man, dt. Die Abschaffung des Menschen)

(© Photo by Sergei Golyshev – CC BY 2.0)

Wissen ist nicht genug

Ich gehe in eine Schule. Und dennoch ist mein Ziel nicht, mehr Wissen zu sammeln: Wissen (Informationen, Zusammenhänge) ist nicht genug. Wikipedia ist eine riesige Sammlung an Wissen, aber was mache ich damit? Um es auch lebensbringend anwenden zu bringen, brauche ich Weisheit.

Das gilt auch für theologische Fragen. Natürlich ist es interessant, darüber zu diskutieren, ob unser Leben wie eine Maschine (theoretisch) vorhersagbar ist, oder wir wie ein vollständig autonomer König in der Mitte des Universums sitzen und alles bestimmen können. Aber die eigentliche Frage ist doch, wie wir damit umgehen. Manchmal diskutieren wir eigentlich nur deswegen darüber, was wirklich gut ist, weil wir uns vor der offensichtlichen Antwort drücken wollen: es ist unmöglich, Gottes Maßstab von Güte zu genügen. Täglich erlebe ich im Kleinen und im Großen, dass ich nicht liebe, wie er liebt. Dass ich anderen nicht den Wert gebe, den Gott ihnen gibt.

„7 Früher hielt ich all diese Dinge für außerordentlich wichtig, aber jetzt betrachte ich sie als wertlos angesichts dessen, was Christus getan hat.
8 Ja, alles andere erscheint mir wertlos, verglichen mit dem unschätzbaren Gewinn, Jesus Christus, meinen Herrn, zu kennen. Ich habe alles andere verloren und betrachte es als Dreck, damit ich Christus habe
9 und mit ihm eins werde. Ich verlasse mich nicht mehr auf mich selbst oder auf meine Fähigkeit, Gottes Gesetz zu befolgen, sondern ich vertraue auf Christus, der mich rettet.“

(Philipper 3,7-9)

Also brauche ich Gott. Er ist bereit, mich lebenslang lernen zu lassen. Ich hänge an seinen Lippen: was wird er sagen? was wird er tun? Und wenn er eines Tages sagt: „Danke. Das hast du gut gemacht.“ (Matthäus 25, 21), dann hat sich alles gelohnt.

(© Photo by angusware – CC BY 2.0)
Es handelt sich um die Stoa in Athen; sie wurde in der Antike von Philosophen verwendet, um ihre Schüler auszubilden.

Ich brauche Hilfe.

Diese Worte kommen nur selten aus meinem Mund; schließlich möchte sich selbständig (ok), unabhängig (verdächtig) und niemandem eine Last (nicht ok) sein.

Es war heiß in Athen, vor allem in der U-Bahn. Ich habe zu viel gegessen. Und plötzlich wird mir schwindelig, ich fange an zu schwitzen, und versuche meine Freunden mitzuteilen, dass ich dringend auf die Toilette muss. Als wir kurz darauf aussteigen, habe ich es endlich laut genug ausgesprochen, um ihre Aufmerksamkeit zu erreichen. Ich lasse mich auf einen der Bahnsteig-Stühle fallen. „Ist alles in Ordnung?“ Ich sagte leise Nein, und sie nahmen mich ernst. „Leg dich einfach hin“ – dabei wollte ich mich doch gar nicht hinlegen, ich wollte doch eine Toilette suchen?!

In diesem Moment traf ich eine Entscheidung: ich vertraute ihnen. Es war schrecklich, ich war lange nicht mehr so verzweifelt – aber ich spürte auch, ich brauche ihre Hilfe, alleine schaffe ich es nicht. Und tatsächlich, nachdem ich eine kurze Zeit auf dem Boden lag (umringt von besorgten Gesichtern, fremden Stimmen, ein nasses Tuch wurde mir auf die Stirn gelegt, die Bahnhof-Security kam dazu), war zumindest der Schwindel so weit weg dass ich wieder gehen konnte. Ich wurde von der Security zur Behinderten-Toilette eskortiert (es gab keine öffentliche Toilette in der Nähe) und nachdem ich mich endlich erleichtern konnte, fuhren wir unsere Heimreise fort.

Es war ein intensives Erlebnis. Ich fühlte mich wie ein Baby: bedürftig, und ohnmächtig, dieses Bedürfnis selbst zu stillen. C.S. Lewis („Was man Liebe nennt“) redet von Bedürfnis-Liebe: Hilfe annehmen kann genauso ein Ausdruck von Liebe/Vertrauen sein wie Hilfe geben. Ich habe mich fallen gelassen, und ein Netz aus Freundschaft hat mich aufgefangen. Und selbst wenn ich gerade alleine unterwegs gewesen wäre, ist da immer noch ein anderes Netz: mein Gott, der es gut mit mir meint.

„No man is an island“ – seltsam, dass wir das in unserer Gesellschaft wieder neu lernen müssen. Mindestens ich.

(© Photo by Let Grow Therapy and Counseling – Helping Children to Thrive – CC BY 2.0)

Die Würde des Menschen ist unantastbar.

Lieber Humanismus,
ich bin ja sonst auch nicht so ganz zufrieden mit dir. Aber hier hast du mich enttäuscht. Wie konnte es so weit kommen, dass Menschen als Arbeits-Objekte verwendet werden? Jaja, ich weiß, du versuchst es zu verstecken, die Menschen machen das doch alle freiwillig, und verwirklichen sich selbst, und überhaupt; aber mit „Würde“ hat das nichts zu tun. Würde ist mehr als Lob, soziale Anerkennung, gerechter Lohn, eine ordentliche Stundenzahl, ein gesellschaftlich suggestierter Sinn. Würde ist der Zuspruch des Schöpfers: Es ist gut.

Du sagst, es gibt keinen Schöpfer, weil jeder sein eigener Schöpfer sei? Dann gibt es auch keine Würde.

You know, the thing everybody really wants to know is not … what the theory of relativity is … but … whether we’re loved or not. And that’s why I like the scriptures. Because you get the feeling from reading them that … we might be.
(Rich Mullins in the middle of his concert)

(Wisst ihr, das was alle eigentlich wissen wollen ist nicht, wie die Relativitätstheorie funktioniert, sondern ob wir geliebt sind oder nicht. Und darum mag ich die Schrift. Wenn ich sie lese, sieht es so aus, als ob es so sein könnte.)