Wissen ist nicht genug

Ich gehe in eine Schule. Und dennoch ist mein Ziel nicht, mehr Wissen zu sammeln: Wissen (Informationen, Zusammenhänge) ist nicht genug. Wikipedia ist eine riesige Sammlung an Wissen, aber was mache ich damit? Um es auch lebensbringend anwenden zu bringen, brauche ich Weisheit.

Das gilt auch für theologische Fragen. Natürlich ist es interessant, darüber zu diskutieren, ob unser Leben wie eine Maschine (theoretisch) vorhersagbar ist, oder wir wie ein vollständig autonomer König in der Mitte des Universums sitzen und alles bestimmen können. Aber die eigentliche Frage ist doch, wie wir damit umgehen. Manchmal diskutieren wir eigentlich nur deswegen darüber, was wirklich gut ist, weil wir uns vor der offensichtlichen Antwort drücken wollen: es ist unmöglich, Gottes Maßstab von Güte zu genügen. Täglich erlebe ich im Kleinen und im Großen, dass ich nicht liebe, wie er liebt. Dass ich anderen nicht den Wert gebe, den Gott ihnen gibt.

„7 Früher hielt ich all diese Dinge für außerordentlich wichtig, aber jetzt betrachte ich sie als wertlos angesichts dessen, was Christus getan hat.
8 Ja, alles andere erscheint mir wertlos, verglichen mit dem unschätzbaren Gewinn, Jesus Christus, meinen Herrn, zu kennen. Ich habe alles andere verloren und betrachte es als Dreck, damit ich Christus habe
9 und mit ihm eins werde. Ich verlasse mich nicht mehr auf mich selbst oder auf meine Fähigkeit, Gottes Gesetz zu befolgen, sondern ich vertraue auf Christus, der mich rettet.“

(Philipper 3,7-9)

Also brauche ich Gott. Er ist bereit, mich lebenslang lernen zu lassen. Ich hänge an seinen Lippen: was wird er sagen? was wird er tun? Und wenn er eines Tages sagt: „Danke. Das hast du gut gemacht.“ (Matthäus 25, 21), dann hat sich alles gelohnt.

(© Photo by angusware – CC BY 2.0)
Es handelt sich um die Stoa in Athen; sie wurde in der Antike von Philosophen verwendet, um ihre Schüler auszubilden.

Ich brauche Hilfe.

Diese Worte kommen nur selten aus meinem Mund; schließlich möchte sich selbständig (ok), unabhängig (verdächtig) und niemandem eine Last (nicht ok) sein.

Es war heiß in Athen, vor allem in der U-Bahn. Ich habe zu viel gegessen. Und plötzlich wird mir schwindelig, ich fange an zu schwitzen, und versuche meine Freunden mitzuteilen, dass ich dringend auf die Toilette muss. Als wir kurz darauf aussteigen, habe ich es endlich laut genug ausgesprochen, um ihre Aufmerksamkeit zu erreichen. Ich lasse mich auf einen der Bahnsteig-Stühle fallen. „Ist alles in Ordnung?“ Ich sagte leise Nein, und sie nahmen mich ernst. „Leg dich einfach hin“ – dabei wollte ich mich doch gar nicht hinlegen, ich wollte doch eine Toilette suchen?!

In diesem Moment traf ich eine Entscheidung: ich vertraute ihnen. Es war schrecklich, ich war lange nicht mehr so verzweifelt – aber ich spürte auch, ich brauche ihre Hilfe, alleine schaffe ich es nicht. Und tatsächlich, nachdem ich eine kurze Zeit auf dem Boden lag (umringt von besorgten Gesichtern, fremden Stimmen, ein nasses Tuch wurde mir auf die Stirn gelegt, die Bahnhof-Security kam dazu), war zumindest der Schwindel so weit weg dass ich wieder gehen konnte. Ich wurde von der Security zur Behinderten-Toilette eskortiert (es gab keine öffentliche Toilette in der Nähe) und nachdem ich mich endlich erleichtern konnte, fuhren wir unsere Heimreise fort.

Es war ein intensives Erlebnis. Ich fühlte mich wie ein Baby: bedürftig, und ohnmächtig, dieses Bedürfnis selbst zu stillen. C.S. Lewis („Was man Liebe nennt“) redet von Bedürfnis-Liebe: Hilfe annehmen kann genauso ein Ausdruck von Liebe/Vertrauen sein wie Hilfe geben. Ich habe mich fallen gelassen, und ein Netz aus Freundschaft hat mich aufgefangen. Und selbst wenn ich gerade alleine unterwegs gewesen wäre, ist da immer noch ein anderes Netz: mein Gott, der es gut mit mir meint.

„No man is an island“ – seltsam, dass wir das in unserer Gesellschaft wieder neu lernen müssen. Mindestens ich.

(© Photo by Let Grow Therapy and Counseling – Helping Children to Thrive – CC BY 2.0)