Technik und der Mensch

Was Technologie angeht, bin ich ein Zweifler. Sie gehört für mich in dieselbe Kategorie wie Naturkatastrophen: man kann sie nicht vorhersehen, nur erahnen; und die letztendlichen Auswirkungen werden erst sichtbar, wenn es zu spät ist. Das soll nicht heißen, dass Technik grundsätzlich schlecht ist, der Elektroherd hat unsere Küche revolutioniert; was ich meine, dass ich gegen die allgemeine Technik-Faszination sieht, die alle neuen Trends erst einmal mitmacht.

Das Thema „Verantwortung der Wissenschaftler“ wurde schon von vielen behandelt. Mich erinnert es an „Die Physiker“ (Dürrenmatt), wo das offensichtliche Beispiel Atombombe behandelt wird; ich möchte nur herausstellen, wie aktuell dieses Thema ist. Was ich der heutigen Technologie konkret vorwerfe:

– Das Verantwortungsgefühl nimmt ab.
Da die Funktionsweise der verwendeten Technik – die ja eigentlich Werkzeuge darstellen – immer komplexer und somit unverständlicher wird, fühlt sich der normale Mensch überfordert und „out of control“. Wenn eine Kündigung nicht bearbeitet wird – SAP ist schuld. Der Automat frisst das Geld – keiner hat es gesehen oder fühlt sich schuldig. Windows stürzt ab und zerstört die letzte Stunde Arbeit. Die Professionalität des Layouts ist das Einzige, woran man die Qualität eines Produktes im Supermarkt messen kann. Man könnte das als Psycho-Terror bezeichnen, wenn es absichtlich gemacht wäre – aber es hat denselben Effekt: nach und nach gibt der Benutzer seinen Willen ab, seinen Traum, seine Ideen, und klettert durch die Zahnräder wie Charly Chaplin („Modern Times“). Das ist natürlich nur eine Tendenz und noch kein Fakt.

– Das Leben wird schnell-lebiger.
Eine Woche Urlaub auf dem Land? Beim Zurückkommen fällt umso mehr auf, wieviel Hektik eigentlich unnötig und Lebensqualität-mindernd ist. Ein Email lässt sich schnell schreiben, also bekommt man irgendwann 100 am Tag. Wir haben so wenig Zeit, dass wir Instant-Essen bevorzugen – kochen lernen würde ja Jahre dauern. Wie kann ich meinen Kindern erklären, dass es sich oft lohnt, zu warten, wenn es an jeder Ecke einen Snackautomaten gibt? In einer Welt, wo scheinbar alles möglich ist, wenn man nur genug Geld hätte – was bedeutet Freundschaft? Ehrlichkeit? Geduld?

– Minderheiten werden außer Acht gelassen.
Die Automatisierung wird uns immer mehr Studien machen lassen, wie genau „der Mensch“ funktioniert, um sich daran zu orientieren. Und es gibt ihn tatsächlich, der DIN-genormte Durschnittsmenschen. Aber immer gibt es auch „den Anderen“. Die 5 % der Bevölkerung, die eine Schuhgröße von mehr als 45 haben, werden kaum Schuhe finden. Und Einzelanfertigungen sind horrend teuer. Das Risiko dabei ist, auch im täglichen Leben weniger tolerant zu handeln, weil wir eingefleischt bekommen haben, dass wir „selber schuld“ sind, wenn wir aus dem Rahmen fallen.

– Die Risiken einer Technologie werden erst viel später untersucht als dessen Vorteile.
Das ist einerseits logisch, weil derjenige, der eine Lösung zu einem bestimmten Problem sucht, begeistert alle Ideen annimmt; das ist aber auch gefährlich, wenn es in eine Technologie-Gläubigkeit ausartet. So schlimm wie im Zeitalter der Aufklärung („Wir leben im besten aller Zeiten“, Fortschrittsdenken) ist es noch nicht, aber Wissenschaftler, die sich gegen Technologien stellen, die der Staat ausdrücklich fördert, haben einen schweren Stand.

Was ich fordere, ist die Rückkehr zu einer gewissen Einfachheit: wenn es etwas Besseres gibt, gut, wenn nicht, auch gut. Wenn es sich optimieren lässt, gut, aber wenn nicht, auch gut. Letztendlich ist Technologie nicht unser Lebensinhalt, es darf nicht existentiell werden, wenn sie wegfällt. Hey, sie ist ein Werkzeug, wenn auch ein nützliches!

Und jetzt schalte ich meinen Computer aus.

Ein Gedanke zu „Technik und der Mensch

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