Krank vor Liebe

Als ich früh morgens aufwachte, lagen fünf 100-Euro-Scheine auf meinem Nachttisch. Zunächst wunderte ich mich und griff nach dem 20-Euro-Schein, der einzeln daneben lag, der könnte von mir sein, aber als ich ihn in mein Portemonnaie stecken wollte war dort schon einer, und ich legte ihn wieder zurück. „Wer soll sich in dem Chaos zurechtfinden…“ Seit zwei Wochen lebte ich in einer Jugendherberge, zusammen mit 20 anderen Jugendlichen meines Alters. Die vier Jungs in meinem Zimmer könnten noch ein bisschen Nachhilfe in Punkto Ordnung vertragen. Da fiel mein Blick auf einen bunt bedruckten Briefumschlag, „Krankengeld“, mit dem Krankenkassenlogo und einer handschriftlichen 500. Maria, die im Raum war, beobachtet mich genau, und ich wies auf den Umschlag, „ach deswegen…“ – „Du kannst mir also auch nicht erklären, wo die 15 000 Euro herkommen?“ Ich verneinte, nahm mein Schreibheft und meine Handschuhe vom Tisch um sie zu verstauen, warf einen Blick in das Heft – der Briefumschlag war noch da und so dick wie immer – zog gedankenverloren einen Handschuh an und und legte mich noch einmal auf mein Bett. Da zischte sie leise: „Auch keine 150 000?“ Ich zuckte zusammen, und siedend heiß kam es über mich. In ihren Augen sah ich ein Funkeln. „Ich …. ich kann dir alles erklären.“, stammelte ich. – „Na dann los.“ Ich flüsterte, „Nicht hier…“ und blickte mich um. Noch schliefen meine Zimmer-Kumpanen, aber … „Ich will keine stundenlangen Erzählungen, nur eine Erklärung. Kannst du es in fünf Minuten sagen? In drei?“ – „Äh, ja, aber bitte nicht hier, gehen wir spazieren …“ Sie nickte und verschwand aus dem Zimmer, damit ich mich mir etwas anziehen konnte.

Wir verließen die Jugendherberge und trotteten den Berg hinauf. Nach einen tiefen Seufzer fing ich an:
„Du hast mir nur drei Minuten gegeben, also gibt es keine Zeit für … Zögern … Ich bin der Sohn eines Millionärs. Aber wie das so ist, ich habe mich in eine einfache Frau verliebt –
Also bin ich hierher gekommen, um … um ihr Herz zu gewinnen. Ach, wieso erzähl ich dir das alles. Ich hatte das Geld schon vergessen, um ehrlich zu sein, es gab irgendeinen Grund warum ich es damals schon abgehoben hatte, vielleicht um in der Bank vor Ort nicht aufzufallen, oder weil ich dachte, so ein bisschen Polster … Eigentlich waren sie für die Mega-Feier, wenn ich endlich dass ersehnte Ja höre.
Ach, du kannst die 150 000 gerne haben, ich brauche sie nicht. Ich fürchte nur, sie werden dein Leben genauso kaputtmachen wie meines. Aber wenn du sie in dem Briefumschlag gefunden hast, hast du dann auch gelesen …“
Ihr Gesicht rötete sich. „Das gibt es doch nicht, darauf stand eindeutig, an wen der Brief adressiert war, du kannst doch nicht einfach fremde …“ Sie unterbrach ihn: „Deine Liebesbriefe waren es, die mich dazu gebracht haben, mich einzumischen. Jedenfalls musst du hier weg.“
– „Warum?“
– „Du wirst verfolgt, seit Tagen.“
Ich sah betreten zu Boden. „Ich weiß. Ich hatte gehofft, dass er mir nicht in diesen Dreck folgen wird, aber seine Eifersucht war stärker als sein Stolz.“ Sie hob die Augenbrauen, fragte aber nicht weiter, sondern packte mich an der Hand: „Es dauert nicht mehr lange … ich kenne diese Kerle. Er konnte euch lang genug beobachten, … ach, ist sie denn eigentlich auch in Gefahr?“
– „Nein, äh … zumindest so lange er sich nicht sicher ist, dass sie es ist, die mein Herz verzaubert hat.“
– „Gut, dann bring ich dich zu meiner Höhle.“
– „Kann ich nicht noch mein Zeug holen…“
Sie wandte sich um. „Schlecht. Der Nebel ist inzwischen verschwunden, und …“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich bring ihn dir. Du meinst doch den Umschlag, oder?“

Als sie mein Zimmer betrat, war dort alles aufgewühlt, und die Jungs waren ausgeflogen. Sie suchte ein wenig, aber der Briefumschlag war verschwunden. Sie dachte, „Dann kommt also jetzt schon Teil 2 meines Plans … ich hatte gehofft, dass er nicht nötig werden würde … aber na gut.“ Schnellen Schrittes ging sie zu Lydia, die gerade noch ihre Haare machte. „Komm mit.“ Diese hatte nur Fragezeichen im Gesicht: „Warum?“ – „Na los, komm schon … jetzt.“ Wie gut, dass Maria den Befehlston bei ihren Geschwistern gelernt hatte… ohne weitere Fragen zog Lydia Schuhe und Mantel an. Als auch sie in den Feldern waren, erzählte Maria ihr die Geschichte ohne Umschweife, und Lydia wurde immer stiller. Schließlich fragte Maria: „Es gibt jetzt genau zwei Möglichkeiten. Entweder ich bringe dich zu ihm, oder in ein anderes Versteck, wo du allein sein kannst. Was willst du?“ – „Bring mich …“ Sie rang mit sich selbst. „Nein, nicht zu ihm.“ – „Wie du willst. Dort hinten steht mein Auto, es ist offen. Du setzt sich da rein und wartest auf mich.“ – „Aber, du …“ – „Ruhe! Vertraue mir.“

Endlich kam Maria wieder. Doch bevor sie los fuhren, reichte sie einen schwarzen Schal nach hinten: „Verbinde deine Augen. Es wird für alle einfacher sein, wenn du nicht weißt, wohin wir fahren.“
Den Großteil der Fahrt schwiegen sie. Lydia nahm missmutig Großstadtlärm zur Kenntnis, und ihr fiel auf, dass Maria zwar von einem Versteck geredet hatte, aber nicht, wo es ist. Warum sollte sie sich überhaupt verstecken? Glücklicherweise wurde es schließlich wieder ruhiger. Als der Motor aus war, sagte sie: „Bring mich zu ihm, ich muss ihm etwas sagen.“ Lydia konnte das breite Grinsen von Maria nicht sehen, und Maria rang mit sich, wie lange sie dieses Spiel noch spielen sollte, dann platzte sie heraus: „Genau das habe ich bereits gemacht.“ – „Oh, was für eine Unversch … danke.“

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Gott sagt zu Israel:
„Ich will dich für immer zu meiner Frau machen. Ich will dich rechtskräftig zu meiner Ehefrau machen und will dir meine unwandelbare Liebe und mein Erbarmen beweisen. Ich werde dir für immer treu sein und du wirst lernen, mich vollkommen als deinen Herrn anzuerkennen.“
(Hosea 2, 21-22)

Advent: Gott kommt zu uns. Er hätte uns befehlen können; aber er kam, um uns zu umwerben.

„Es ist eine Welt, die nicht lieben muss, obgleich sie durch Selbstentäußerung der Liebe geschaffen ist. Doch eben das ist das Wesen der Liebe. Sie beruft, aber sie unterwirft nicht. Wir wollen frei sein, wollen niemanden unterworfen sein und leiden doch zugleich darunter, dass wir uns von der Liebe befreien können. … Denn als Freiheit liebende Menschen haben wir zu entscheiden, ob wir uns einspannen lassen, um dienende, aufrichtige, wirklich anwesende Menschen zu sein. So leidet die Freiheit an der Liebe, wenn wir beginnen, ein Diener unserer Berufung zu sein.“
(Martin Schleske, „Der Klang“, Kapitel „Glaube an einen liebenden und leidenden Gott“, S. 199)

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