Momentaufnahmen meines Lebens (Heimaturlaub)

19. November, 17:00

Der Wecker klingelt, ich verabschiede mich von den Kaffeegästen. Simones Wohnung ist schön, und auch schön klein.

Ich fahre zum Petuelring, suche die Straße, in der ich den Roller abholen soll: jemand vom Jmem-Gelände hat ein Kinderroller ersteigert, und Selbstabholung war deutlich billiger als Versand. Naja gut das hat mich ein bisschen Organisationsarbeit gekostet aber das trainiert mich ja auch, ne. (Von wegen ’ne‘ gibt’s nur in Hannover. Nur hier in Sachsen spricht man es nicht ’neee‘, sondern ’ne‘ mit umgedreht e (tiefes e).) Die Straße war einfach zu finden, die Hausnummer nicht.

Mit Roller steige ich in die Trambahn, soll ich jetzt nochmal stempeln? Wenn ich mir überlege, was wäre, wenn ich tatsächlich kontrolliert werde, wird mir übel und ich merke, dass ich es eigentlich doch nicht vor mir verantworten kann. So stemple ich nochmal. („Rundfahrten sind nicht erlaubt.“)

Ich steige um in den Bus, und lese wieder dass ich am Rotkreuzplatz vorbeifahre. Ich habe schon ein paar Tage vorher überlegt, vielleicht Vroni zu besuchen, aber … jetzt erst erwäge ich es als Möglichkeit, es tatsächlich zu tun. Ich schaue auf die Uhr: ich könnte Rotkreuzplatz aussteigen, die 20 Minuten bis zum nächsten Bus zur MädchenWG rennen und wieder zurück, und dann komme ich genau pünktlich um 6 Uhr an der Donnersberger Brücke zur Mitfahrgelegenheit nach Dresden.

Zwei Stationen noch. Will ich das? Werde ich es tun? Trau ich mich? Komme ich dann nicht zu spät?

Rotkreuzplatz. Mein Herz schlägt höher. Die Türen gehen auf, mit Unentschlossenheit bleibe ich stehen. „Im Nachhinein werd ich es bereuen, es nicht getan zu haben.“ Die Türen gehen wieder zu. Erst jetzt höre ich Gottes Stimme eindeutig: „Du darfst die Zeit auskosten.“ Ich fühle mich bestätigt und breche auf, denn der Bus steht noch: er hat noch gewartet.

Schnellen Schrittes nähere ich mich der WG. Warum möchte ich das? Was ist, wenn ich gefragt werde, warum ich es mache? Die ehrliche Antwort: weiß ich nicht. Ich renne die Treppe hinauf. Ich werde vor der Tür stehen, sagen, „Ich wollte nur kurz kommen“, und dann wieder gehen.

„Komm herein“ sagt Vroni, als sie die Tür aufmacht. Ich komme herein, erkläre, warum ich einen Roller dabei habe, begrüße auch Sascha, und setze mich an den Küchentisch. „Willst du was trinken?“

Ich wollte nichts drinken, und ich wollte auch nicht die Worte wiederholen, die ich unter meinen Verwandten verteilt habe (auf die Fragen: was machst du? Wie geht es dir?), und sie sagt: „Dann erzähle etwas, was du noch keinem erzählt hast.“ Ich erzähle ihr vom Niederseilgarten und dass eine Situation symbolisch geworden ist dafür, dass ich lerne, Leiter zu sein. „Ich muss gehen.“

Pünktlich 5 vor 6 bin ich an der Donnersberger Brücke. Ich bin glücklich, zwei Gesichter gesehen zu haben, die ich mag.

„Du darfst die Zeit auskosten.“ Ja, das habe ich angefangen zu tun. Ich weiß nun, dass dazu Arbeit genauso dazugehört wie Pause – und so mache ich intensiv Pause und intensiv Arbeit. (Allerdings verplane ich deutlich mehr als 60 % meiner Zeit, was Tiki Küstenmacher als Richtlinie angiebt.) Und immer wieder mal wage ich es, spontan zu sein. Kinder auf meinen Schoß zu nehmen, meine Familie anzurufen, oder den Gedanken auszusprechen der mir grad kommt.

Ein Gedanke zu „Momentaufnahmen meines Lebens (Heimaturlaub)

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