Vergeben?! Will ich das wirklich?!

herzManchmal höre ich, „Nein, ich habe ihm/ihr/ihnen noch nicht vergeben …“ Ich fühle den Schmerz dahinter… und nachdem ich ausgiebig zugehört habe, erzähle ich vorsichtig, warum ich Vergebung so wichtig finde.

Vergebung ist oft ein Prozess. Gerade wenn die Verletzung tief war, wird es auch eine Weile dauern, bis sie wieder heil ist. Das Wichtige dabei ist, dass dieser Heilungsprozess nicht aufhört.

Der Heilungsprozess wird verlangsamt oder sogar abgebrochen:

a) Wenn du entscheidest, es ist doch nicht so schlimm, ich will es einfach vergessen. Damit kehrst du die Wunde unter den Teppich, und dort kann sie „schön“ vor sich hin eitern und bricht irgendwann umso stärker aus.

b) Wenn du entscheidest, es ist so schlimm, ich werde niemals vergeben. Das ist so, als würdest du jeden Tag neu den Schorf deiner Wunde aufkratzen, weil du den Schmerz als Erinnerung brauchst. Ja, es tut weh. Ja, du wirst daraus etwas lernen, „Konsequenzen ziehen“. Aber später. Erst einmal, renn zu Jesus und lass dich von ihm trösten.

Denn weißt du, die Gefahr ist folgende: Wenn die Wunde nicht ausheilt, ist sie Jahre später immer noch da. Und sobald dich irgendetwas an die Situation erinnert, in der du verletzt worden bist, wirst du merken, dass sie noch nicht verheilt ist – ein Beobachter würde sagen: diese Reaktion war aber jetzt unverhältnismäßig. Das stimmt – gemessen an der äußeren Situation. Aber gemessen an der inneren Situation ist die Reaktion völlig angemessen. Solange eine Schnittwunde noch nicht ausgeheilt ist, ist für die Haut an dieser Stelle jede Berührung sofort eine Bedrohung – es tut weh. So geht es auch unserem Herzen: es spannt einen Sicherheits-Abstand um den Bereich, der verwundet ist, und bestraft alle, die versuchen, diesen Bereich zu betreten. Wenn du viele solche „Zutritt verboten“-Zonen hast, könnte es für deine Mitmenschen ziemlich anstrengend werden – und für dich ziemlich einsam.

Aber da gibt es eine riesige Chance: Wenn die Wunde verheilt, erlebst du Freiheit. Dann kann das Leben wieder aufblühen.

Darum mache ich dir Mut, diesen Prozess der Vergebung zu gehen. Er ist wie ein Wanderweg: immer einen Schritt nach dem anderen. Manchmal werden schmerzhafte Erinnerungen hochkommen. Dann schau sie dir an und renn damit zu Jesus. Erklär ihm deinen Schmerz, und dann warte auf seine Antwort. Er weiß, was Schmerzen sind. Er weiß, wie man mit ihnen umgehen kann, und trotzdem den Willen Gottes tun kann. Und dann: Lass los.

Und manchmal kommt dann gleich die nächste Erinnerung, und du fragst dich: Hört das denn nie auf? Geht es jetzt alles von vorne los? Hinschauen, mit Jesus verarbeiten, loslassen, … schon wieder? Ja und Nein. Ja, immer wieder, du wirst viel Zeit haben, genau das zu üben. Nein, mit der Zeit werden die Schmerzen weniger. Eigentlich ist es auch gut, dass der Schmerz portionsweise kommt – so kannst du ihn aushalten und verarbeiten.

Und manchmal ruht diese Baustelle eine Weile. Das ist auch ok. Gott hat den Sabbat geschaffen, und drückt damit aus: Dein Leben hängt nicht von deiner Arbeit ab. Ruhe einfach in meiner Liebe. Er wird dich dann schon anstubsen, wenn es weiter geht.

Aber eines Tages wirst du zurückblicken und aufatmen: Jetzt ist es vollbracht. Ich habe vergeben. Und weißt du, es wird dann nicht so sein, wie es vor der Verletzung war. Sondern viel, viel besser. Gerade der Lebensbereich, der durch Verletzung und Heilung gegangen ist, kann oft erstaunlich fruchtbar werden: Dann kann deine Freude auch dort wieder sprudeln. Und dann kannst du den Trost, den du für dich angenommen hast, an andere weitergeben (2. Korinther 1,4).

Gott hat bereits vergeben. Und geduldig hilft er dir dabei, loszulassen. Gib die Hoffnung nicht auf: eines Tages wirst du frei sein.

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