Shalom Shabbat

Es ist Samstag, und ich fühle mich, als hätte ich das erste Mal einen Sonntag (Shabbat) gefeiert.

6 Uhr 15, der Wecker klingelt. Ich bin müde und bleibe liegen.
6 Uhr 30, der zweite Wecker klingelt. Ich bin zwar noch müde, habe aber keine Lust mehr mich von dem dritten Wecker wieder stören zu lassen. Also stehe ich auf und mache mich auf, zu duschen. Bademantel um, man muss nämlich, um zur Dusche zu kommen, durch einen Flur, der eigentlich öffentlich ist: der Zugang zum Kindergarten. Selten, aber manchmal, kommen Eltern & Kinder tatsächlich schon um 7. Ich bin bereit zu duschen, wie üblich stehe ich außerhalb der Dusche, halte den Duschkopf zum Abfluss und drehe den heißen Hahn auf. Aber, oh nein, wieder nichts. Wie ein Wasserschlauch, dessen Wasserhahn abgedreht wurde, kommt noch ein paar Schlucke Restwasser raus und dann basta. Das letzte Mal kam sogar ab und zu ein bisschen heißes Wasser. (Ich musst an die Laodizeer denken („Ach, wenn du doch heiß oder kalt wärest! Weil du aber weder heiß noch kalt bist, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde.“ Offenbarung 3, 15f) und an Juli in Afrika, die von ihrer Dusche erzählte: entweder ist es brühheiß oder arschkalt.)
Also gut, ich ziehe mich wieder an und gehe in die Dusche des Nebenhauses. Als ich zurückkomme und im Bad mein Handtuch aufhänge, teste ich, ob es immer noch so ist, und, tadddaaa, jetzt funktioniert das Heißwasser wieder.
7 Uhr, der nächste meiner WG ist aufgestanden, und herzlich begrüßen wir uns mit einem Gähnen. Das Licht brennt im Zimmer meines Zimmerkollegen und Herr über die Wecker, er liegt immer noch im Bett, wälzt sich, und man weiß nicht, ob er schläft, döst, oder nur keine Lust hat aufzustehen.
8 Uhr, ich gehe rüber, den Brunch richten. Ich habe Wochenddienst und bin (mit Team) für die essentliche Versorgung verantwortlich. Nachdem ich das schon hergerichtete Buffet (oder schreibt man das: büffee ?) bewundert habe, wasche ich die zwei Tomatenrispen, eine davon landet zusammen mit dem Ei in der Pfanne. Vorher aber noch Eier aufschlagen, Pfeffer reinrühren, und Gasherd ankriegen.
9 Uhr, das nächste Teammitglied kommt und geht gleich wieder, weil es nichts mehr zu tun gibt. Ich frühstücke ein Hanutaersatz, ein Teller Rührei mit gekochten Tomaten und ein Nutellabrot, dazu Früchtetee. So langsam komme doch noch ein paar Studenten außer dem Wochenenddienst, und ich nehme mir einen Früchteriegel und setze mich zu ihnen. Habe ich etwas gesagt oder wieder nur zugehört? Und selbst wenn keiner etwas gesagt hätte war es schön, zusammenzusitzen. S. trinkt ihren Kaffee (ich werde im Kaffeekochen ausgebildet! Nur probieren muss jemand anderes.) und schweigt, schweigt von Müdigkeit, Zufriedenheit und Planung. (Nein eigentlich kann ich es nicht interpretieren. Ich tu nur so.)
Ich schaue in meinen Briefkasten, doch wieder ist er leer. Ich gehe aufs Klo (schließlich ist das WG-Klo schon durchs Duschen belegt) und dann wieder in mein Zimmer.
10 Uhr 30, ich blättere die Zeitschriften nach Ausschneidenswertem. Denn von Schönheit und Kreativität strotzen soll unser „Journal“ (darüber später mehr), und ich möchte es prägen, ich möchte es extremly personal fassen. Ich blättere und blättere und lese (es sind hauptsächlich dran-Hefte), und H. schockiert mich als er sagt, wir müssen bald abräumen, denn es ist schon bald 12 Uhr. Ich lese den Text fertig und gehe rüber.
Abspülen, aber nicht viel. Dann wieder weiter Zeitschriften blättern. Das Wohnzimmer füllt und leert sich, und ich blättere.
15 Uhr 30, ich platze. Die Artikel waren spannend, aber ich kann das Heft (aufatmen) nicht zu Ende lesen. Wieder in der WG versucht C. mich an seinen Entdeckungen teilhaben zu lassen, aber ich blocke ab; ich möchte spazieren gehen. Strahlende Sonne kommt mir entgegen und dringt bis in mein Herz. Eine Trauerweide begeistert mich, aber ich suche weiter. Ich gehe weiter und weiter, durch Straßen, Schrebergärten, Obstbaumwiese, Maisfeld, Hügelwiese und ein fremdes Grundstück. Es hat mir so gut getan. Ich bin ein Kind. Der Wind bläst mir um die Ohren, die Vögel fliegen an mir vorbei. Schau mal da, Mama! Ich liege im Gras und die Sonne schaut mir zu. (Darüber habe ich vergessen, dass ich gegen Gras allergisch bin – habe nun einige rote Punkte.)
16 Uhr 30, ich fange an, meine Dankbarkeit in Worte auszudrücken. Ich schreibe, schreibe über Aufstehen, Mitbewohner, Kinder und Lebensglück, schreibe, bis meine Finger warm, meine Augen müde und meine Seele still ist. Ich schreibe euch, und indem ich euch schreibe, wünsche ich auch euch eine gehörige Portion Glückseligkeit. Seid herzlich gedrückt,

Benjamin

Ein Gedanke zu „Shalom Shabbat

  1. Ich sehe gerade, ich habe versprochen, über Journal zu schreiben. Vermutlich habe ich das noch nicht getan, deswegen hier kurz:

    Journal ist ein zwischending zwischen Tagebuch (Logbuch für mich) und Ausbildungsprotokoll/bericht (Logbuch für meinen One2One. Achso, das ist, naja, sowas wie Mentor oder so. Jemand der für mich persönlich verantwortlich ist.). Es wurde ziemlich genau vorgeschrieben, was darin vorkommen soll, und am Anfang war das ein Kampf (zwischen Erwartung und aus-sich-selbst-geben) für mich. Nun habe ich meine eigene Journalgewohnheiten, und ich genieße es, mit etwas Abstand über die Tage zu reflektieren, die sonst ziemlich oft mit ziemlich viel Beschäftigung gefüllt sind.

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